facebookYou Tubefeedfeedfeed
Deutsche VersionPrintSuche

»Improvisieren ist eine sehr gefragte Kunstform«

Interview mit David Klüglich, einem der ersten Studierenden des 2021 neu eingerichteten Studiengangs Klavierimprovisation
David Klüglich steht in einer Übezelle vor einem Flügel
Die Hochschule für Musik Freiburg bietet als eine der ersten Musikhochschulen in Deutschland den Studiengang »Master Musik (Hauptfach Klavierimprovisation)« an. Er wurde zum Wintersemester 2021/2022 eingeführt und hat derzeit zwei Studierende, die ihr erstes Semester gerade hinter sich haben. Einer von ihnen ist der 27-jährige David Klüglich, der vorher bereits Musik und Physik auf Lehramt studiert hatte. Ben Klaußner hat mit ihm darüber gesprochen, warum Improvisieren gute Musikerinnen und Musiker noch besser macht, wie das freie Spielen auf dem Jobmarkt hilft und warum es Kinder dabei unterstützen kann, nicht die Lust an ihrem Instrument zu verlieren.
 

Herr Klüglich, alte Meister wie Johann Sebastian Bach oder Frédéric Chopin wurden in ihrer Zeit nicht nur für ihre Kompositionen sehr bewundert, sondern auch für ihre Improvisationskunst. Dennoch wird Improvisation heute in der klassischen Musikausbildung kaum gelehrt.
David Klüglich: Das stimmt, aber es kommt wieder. Improvisieren ist heute eine sehr gefragte Kunstform und wird auch in der Pädagogik immer wichtiger. Denn die alten Meister des Barock oder der Romantik haben durch das Improvisieren Klavierspielen gelernt. Dadurch wurden sie nicht nur hervorragende Musiker, sondern auch exzellente Komponisten, weil sie ein sehr großes Verständnis für Musik entwickeln konnten.

Hat Sie das dazu motiviert, den Master-Studiengang Klavierimprovisation zu beginnen? Schließlich hatten Sie schon Lehramts-Abschlüsse in Musik und Physik und einen Bachelor in Musiktheorie in der Tasche.
David Klüglich: Ja, das ist einer der Gründe für mich, diesen Master zu machen: Ich kann dadurch ein besserer Musiker mit einem breiteren Repertoire werden. Der Studiengang ist stark künstlerisch ausgerichtet, was bedeutet, dass er mich nicht nur pädagogisch, sondern auch musikalisch weiterbringt. Unsere Professoren Helmut Lörscher und Christian Nagel achten sehr darauf, dass wir uns von einem hohen musikalischen Niveau aus kommend noch weiterentwickeln. Durch das Improvisieren vertiefe und erweitere ich mein musikalisches Wissen enorm. Wenn ich zum Beispiel ein neues Stück lerne und dabei nicht nur die Noten spiele, sondern auch übe, damit zu improvisieren, dann muss ich mir auch anschauen, wie das Stück aufgebaut ist, welche Prinzipien dahinterstecken und welche Zusammenhänge und Funktionsweisen es gibt. Im Endeffekt habe ich dadurch viel mehr über dieses Stück, aber auch über Musik generell gelernt, als wenn ich nur die Noten gespielt hätte. Und ich lerne auch, gut zuzuhören, weil ich das für das freie Spielen brauche.

»Der Aufbau des Studiengangs hat mich überzeugt: Er ist künstlerisch relevant und breit angelegt.«

Warum haben Sie sich für den Master an der Hochschule für Musik Freiburg entschieden?
David Klüglich: Bisher gibt es nur an sehr wenigen deutschen Musikhochschulen Improvisations-Studiengänge, insofern war die Auswahl nicht sehr groß. Trotzdem hätte ich den Master natürlich auch woanders machen können. Aber der Aufbau des Studiengangs an der Hochschule für Musik Freiburg hat mich sofort überzeugt: Er ist künstlerisch relevant und dazu sehr breit angelegt – er trennt nicht zwischen klassischer und moderner Improvisation. Soweit ich weiß, gibt es an anderen Hochschulen meist eine strikte Trennung. Man kann entweder zum Beispiel Jazzimprovisation lernen, oder klassische. Das ist in Freiburg nicht der Fall, hier werden alle Stile und Musikrichtungen auf einem hohen Niveau unterrichtet. Als Student bin ich sehr frei darin, meine eigenen Schwerpunkte zu setzen.

Welche Schwerpunkte haben Sie sich gesetzt?
David Klüglich: Der Studiengang besteht aus dem Hauptfach Improvisation und anderen Bereichen, zum Beispiel Literaturspiel, also klassisches Klavier, und verschiedenen Seminaren zum Thema Improvisation, etwa freies Spiel und Partimento. Aber den thematischen Schwerpunkt kann man selbst auswählen und da ich sehr gern unterrichte habe ich darauf geachtet, mich stilistisch möglichst breit aufzustellen. Meine Fächer zielen darauf ab, dass ich mich beim improvisatorischen Umgang am Klavier und beim Spielen und Begleiten sicher in ganz verschiedenen Stilistiken bewegen kann: also in der Klassik, im Jazz- und Pop-Bereich, in Neuer Musik und im freien Spiel. Letztens hatte ich zum Beispiel eine Unterrichtsstunde, in der es um Balladen ging, solche von Franz Schubert ebenso wie moderne Jazz-Balladen. Ich lerne, mein spontanes Spiel auf verschiedenen Ebenen zu schulen, damit ich freie Improvisationen kreieren kann, die ein Konzept und auch als Stück an sich einen Wert haben. Dadurch kann ich andere Musikerinnen und Musiker oder Sängerinnen und Sänger auf hohem Niveau frei begleiten, ohne dass ich mir vorher Noten besorgen oder etwas aufschreiben muss.

»Wenn man als Musiker vielseitig ist, bekommt man auch mehr Aufträge.«

Andere spontan und frei begleiten zu können – ist das auch ein Vorteil für Ihre beruflichen Perspektiven?
David Klüglich: Auf jeden Fall. Durch den Master Klavierimprovisation baue ich mir neben dem Unterrichten ein zweites berufliches Standbein auf. Wenn ich zum Beispiel bei einem Auftritt spiele, habe ich als Improvisationskünstler viele Möglichkeiten. Ich kann eine sehr große stilistische Bandbreite abdecken und das ist etwas, was nicht nur die Auftraggeberinnen und Auftraggeber, sondern auch die Zuhörenden sehr zu schätzen wissen. Wenn ich zum Beispiel eine improvisierte Einleitung spiele oder Anregungen aus dem Publikum aufnehme, gefällt das den Leuten. Und wenn man als Musiker vielseitig ist, bekommt man auch mehr Aufträge. Bei der Begleitung von anderen Vortragenden, die zum Beispiel einen Text vorlesen oder ein Gedicht vortragen, kann ich schon bei der Vorbereitung sagen, dass ich ein breites Portfolio abdecke und nicht unbedingt Noten brauche. Das finden andere Künstlerinnen und Künstler toll, aber auch die Auftraggeberinnen und Auftraggeber, weil es die Vorbereitung erleichtert. Niemand muss sich Gedanken darum machen, welche Sonate zu dem Auftritt passen könnte, man spielt einfach. Und auch als Musiklehrerin oder Musiklehrer ist es von Vorteil, wenn man gut improvisieren kann.

Inwiefern?
David Klüglich: Kinder und Jugendliche an Schulen und an Musikschulen erwarten heutzutage immer mehr von ihren Lehrerinnen und Lehrern, dass sie viele Stile anbieten können. Ich denke, dass die strikte Trennung zwischen Jazz und Pop auf der einen und Klassik auf der anderen Seite immer mehr aufgehoben wird, was ich auch gut finde. Denn früher war es so, dass sich Kinder von Anfang an entscheiden mussten, welche Stilrichtung sie einschlagen wollen – das ist heute zum Glück anders. Gerade was das Unterrichten angeht finde ich es total schade, wenn sich Kinder schon am Anfang dafür entscheiden müssen, welche musikalische Richtung sie einschlagen wollen. Denn dadurch werden sie gezwungen, eine Hälfte der Musik wegzulassen, obwohl sie genauso interessant und wichtig ist, wie die andere Hälfte. Aus diesem Grund suchen Schulen und Musikschulen verstärkt Lehrende, die sich in beiden Bereichen auskennen und auch in beiden improvisieren können.

Hilft der improvisatorische Zugang zur Musik auch Kindern und Jugendlichen, die eher nach Gehör spielen und weniger gut darin sind, vom Blatt zu spielen?
David Klüglich: Ja, ich denke schon. Es gibt viele Schülerinnen und Schüler, die ein gutes Gehör haben, sich aber mit dem Notenlesen schwertun. Die kann man durch das Improvisieren abholen und so dafür sorgen, dass sie nicht schon gleich zu Beginn ihre Motivation verlieren. Das wäre wirklich schade, denn das sind ja oft musikalisch begabte, talentierte Kinder. Wenn man offener ist für Anfängerinnen und Anfänger, die lieber frei als vom Blatt spielen, würden viel mehr von ihnen dabeibleiben. Und jeder von uns kennt ja große und erfolgreiche Musikerinnen und Musiker, die nie gut waren im Vom-Blatt-Spielen und trotzdem fantastische Musik machen. Hinzu kommt, dass der Unterricht abwechslungsreicher ist, wenn auch mal frei gespielt wird: Dann arbeitet man mal an einem Lied, spielt freie Improvisationen, begleitet ein Lied oder schreibt auch mal selbst ein Stück. Und für eine Sache ist es noch enorm praktisch, wenn man improvisieren kann: Wenn ich mich bei einem Auftritt mal verspiele, spiele ich einfach weiter, improvisiere etwas und finde dann irgendwann wieder zurück in das Stück.

Weitere Informationen zum Master-Studiengang Klavierimprovisation gibt es unter Studienangebot auf unserer Website.

Die Pressemitteilung zu dem neuen Studiengang finden Sie in unserem Pressebereich.
 

Foto: Ramon Manuel Schneeweiß

 

Die deutschen MusikhochschulenDeutsch-Französische Hochschule