Das Lamm in Tigerklauen

Je mehr Johann Sebastian Bach für seine Matthäus-Passion gerühmt wurde, desto heftiger wurde der Dichter des Librettos, Christian Friedrich Henrici alias Picander, für rhetorische und theologische Ungereimtheiten gescholten. Aber sollte Bach mit einem Dilettanten zusammengearbeitet haben? Die Analyse dieser Studie kommt zu einem anderen Ergebnis. Henrici war rhetorisch wie theologisch geschult. Leonhart Hütters Compendium Locorum Theologicorum (1610) war als Standardwerk über die theologischen Grundentscheidungen der Reformation ein katechetischer Alltagsgestalter einer damaligen Schülerbiographie. Es ist insbesondere die lutherische Orthodoxie, die das theologische Gerüst für die Matthäus-Passion liefert, aber auch die Theologie Martin Luthers selbst. Henricis Libretto ist von einer theologischen Qualität, die Bach eine verlässliche Grundlage für seine Passionsmusik gab. Henrici war sich seiner Verantwortung bewusst. In den Leipziger Gottesdiensten durfte kein Allotria zu Gehör gebracht werden. Der in der Bach-Forschung mitunter sehr umstrittene Henrici hat ganze Arbeit geleistet. Seine Dichtungen zur Matthäus-Passion können sich wahrlich hören lassen.

Reiner Marquard, Das Lamm in Tigerklauen. Christian Friedrich Henrici alias Picander und das Libretto der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach

174 S., Pb 15, x 22,4 cm, € 29,00 (D) | ISBN 978-3-7930-9896-6 | 2017

In der Bibliothek erhältlich unter der Signatur Sbm 800 Bach/Marq.